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Gedanken zum ARD-Film TERROR als interaktives Format


Dass am Montag die ARD mit dem Film TERROR ein TV-Experiment gewagt hat, wird jeder mitbekommen haben. Auch dass es danach Aufschreie seitens Juristen wie Heribert Prantl und Thomas Fischer gab, hat der ein oder andere bemerkt. In diese Diskussion möchte ich mich auch nicht einmischen, da haben die beiden viel wichtigere und schlauere Dinge zu gesagt.

Viel mehr stelle ich mir die Frage: Ist ein solches Unterfangen die Zukunft des Fernsehens? Erstmal: So wie es die ARD macht, sicher nicht („kein Anschluss unter dieser Nummer“) und die ganz neue Erfindung ist es auch nicht. An der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf wird z.B. schon jahrelang am sogenannten Active Cinema herumgebastelt, in der Zuschauer via Fernbedienung den Handlungsverlauf bestimmen. Ich glaube nicht, dass so etwas Zukunft hat.

Kino und Film bedienen beim Zuschauer eine Sehnsucht nach Eskapismus. Sich in eine andere Welt fallen lassen, Charakteren bei ihren Herausforderungen und dem Über-sich-hinauswachsen zusehen, die Kontrolle abgeben – das ist das Ziel. Man lässt sich unterhalten. Entertainen. Im Dictionary definiert sich Entertainment als: „agreeable occupation for the mind“. Sich einnehmen lassen, quasi. Also nicht „aktiv werden“. Natürlich macht es Spaß, beim Krimi mitzukniffeln, aber das heißt noch lange nicht, dass der Zuschauer Entscheidungen treffen möchte. Denn: Entscheidungen, so sagt es Rolf Dobelli, treffen wir im Alltag genug, sie kosten Anstrengung.

Mal abgesehen davon: Für einen Drehbuchautoren ist es eine Tortur eine Geschichte mit mehreren Handlungsmöglichkeiten zu schreiben. Ein gelungenes Werk besitzt einen Kern, eine Geschichte, deren Ausgang nicht nur etwas einlöst, was der Autor von Beginn an vorbereitet, sondern die auch einen Teil seiner Weltsicht offenbart. Wenn der Autor nun die Geschichte einen von den Zuschauern bestimmten Verlauf nehmen lässt, läuft sie Gefahr, beliebig zu werden, oder – wenn der Autor an seinen geplanten Ausgang festhält – konstruiert zu wirken.

Im Falle von Terror ist es nun so, dass der Zuschauer nur eine – wenn auch schwierige – Entscheidung trifft und zwar zum Ende des Films. Die Auflösung eines Prozesses am Gericht ist jedem bekannt und die Entscheidung trifft für den weiteren Verlauf der Handlung keine großen Konsequenzen. Nur, dass sich der Angeklagte Major Koch eben freut oder traurig drein blickt. Und auch hier nimmt zu 90% des Films – um wieder auf den Eskapismus zu kommen – der Zuschauer die Position ein, die er eh schon inne hat: Er kann sich zurücklehnen und den Prozess verfolgen.

Bei Terror ergibt es Sinn, eben weil sich Ferdinand von Schirachs Vorlage eben nur um diese eine Entscheidung aufbaut, ja, sie sogar dramaturgisch bedingt (dass es nur zwei Extreme gibt, lebenslang oder freigesprochen, und dass der Angeklagte in meinen Augen falsch gecastet wurde, sei dahingestellt). Hier ist es so, dass der Inhalt die Form beeinflusst und nicht anders herum. Damit gelingt ein Werk eher, als wenn die Form den Inhalt bestimmt. In wenigen anderen Fällen macht eine solche Einbindung des Zuschauers Sinn. So halte ich dieses „TV-Experiment“ für gelungen, aber vorerst für eine einmalige Sache.

Die Bildrechte liegen bei: ARD Degeto/rbb/Julia Terjung


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